Die Patientenverfügung

aus: Arzt & Wirtschaft 04/2021

Das Thema Patientenverfügung ist so aktuell wie nie. Die Corona-Pandemie zeigt den Menschen, wie wichtig es ist, sich mit dem eigenen Lebensende auseinanderzusetzen:

Wie wollen wir sterben?
Was möchten wir auf gar keinen Fall?


Schnell ein Formular auszufüllen, genügt
dafür nicht. Denn jeder Patient hat andere Vorstellungen, etwa von der Frage, was ein lebenswertes Leben ausmacht und welche Maßnahmen noch oder nicht mehr ergriffen werden sollen. Viele ahnen: Wer einfach seinen Namen in ein Formular schreibt und ein paar Kreuzchen setzt, hat im Zweifel eine Vollmacht, die seinen individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zuwiderläuft.

 

Immer wieder Streit über die Wirksamkeit von Patientenverfügungen

So häufen sich bei Ärztinnen und Ärzten die Anfragen nach einer Beratung. Denn sie können ihre Patienten dabei unterstützen, eine individuelle Patientenverfügung zu erstellen beziehungsweise einen Vordruck zu individualisieren. Die gemeinsam mit einem Arzt erstellte Patientenverfügung hat den Vorteil, dass der Arzt seine Patienten meist genauer kennt und die medizinischen Sachverhalte erläutern kann. Allerdings steckt in einer Patientenverfügung und den damit einhergehenden Themen wie Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung auch viel juristisches Fachwissen, mit dem Ärztinnen und Ärzte sich vertraut machen sollten.

 

Der Bundesmantelvertrag – Ärzte regelt in Anlage 30 (Vereinbarung Palliativversorgung), Paragraf 5 Abs. 1: „Der Arzt übernimmt die ärztliche Beratung und Aufklärung über die Möglichkeiten der Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung, sofern diese nicht vorliegen.“ Aber auch Ärztinnen und Ärzte, die nicht an der Palliativversorgung teilnehmen, dürfen ihre Patienten bei diesem Thema unterstützen. Die Beratung
ist dann als Privatbehandlung nach der
GOÄ abzurechnen. Bei GKV-Patienten ist eine vorherige schriftliche Zustimmung und Kostenaufklärung notwendig.

Ein aktueller Fall zeigt, was rechtlich
alles dahintersteckt und wie wichtig eine gut formulierte Patientenverfügung ist. Eine 68-jährige Frau erlitt im Juni 2008 einen Schlaganfall. Sie lag seitdem im Wachkoma und wurde künstlich ernährt, zehn Jahre lang und gegen ihren Willen, wenn man so will. Denn mehrfach hatte sie vor ihrem Schlaganfall mit Angehörigen und Bekannten über das Thema Wachkoma gesprochen. In ihrem Umfeld hatte es zwei Menschen gegeben, die ins Wachkoma gefallen waren und künstlich am Leben erhalten wurden. So möchte sie nicht daliegen, hatte sie gesagt, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, lieber wolle sie sterben. Und im Übrigen könne ihr das auch gar nicht passieren.

Der lange Weg einer Wachkomapatientin

Denn bereits im Jahr 1998 hatte sie ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen.

Im Juni 2008 gelang es der Patientin
nach dem Schlaganfall, noch einmal zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“ 2012 regte der Sohn unter Vorlage der Patientenverfügung an, der Patientin einen Betreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern. 2014 wollte der Sohn dann im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einstellen. Der Ehemann lehnte dies ab. Die Patientin stellte, vertreten durch ihren Sohn, einen Antrag auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr vor dem Amtsgericht – zunächst ohne Erfolg.

Der Fall zeigt: Es gibt hier zwar eine
Patientenverfügung, aber es herrscht offensichtlich Streit darüber, ob sie beachtet werden muss. Das wirft viele Fragen auf: Ist die Patientenverfügung wirksam? Dürfen die Angehörigen entscheiden? Warum werden Sohn und Ehemann zu Betreuern bestellt? Was geschieht, wenn diese nicht einer Meinung sind? Und welche Rolle spielt der Arzt in dieser Gemengelage? Daher sollen zunächst die verschiedenen Vorsorgedokumente vorgestellt und es soll erklärt werden, wie sie zusammenhängen.

Zu den Vorsorgedokumenten, die Ärzte
und Patienten kennen sollten, zählen:

  • die Patientenverfügung,
  • die Betreuungsverfügung,
  • die Vorsorgevollmacht.


Jede ärztliche Behandlung bedarf
der Einwilligung des Patienten. Eine ohne Einwilligung durchgeführte Maßnahme stellt eine Körperverletzung dar und ist damit für behandelnde Ärztinnen und Ärzte strafbar. Doch was, wenn der Patient nicht mehr einwilligungsfähig ist?

Was genau ist eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung ist nach der Definition in Paragraf 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die schriftliche Festlegung eines einwilligungsfähigen Volljährigen für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt. Der mündlich geäußerte Wille zählt daher nicht als Patientenverfügung.

 

 

Die Patientenverfügung muss eigenhändig unterschrieben und sollte mit dem aktuellen Datum versehen werden,handschriftlich abgefasst werden muss sie nicht. Auch eine notarielle Beglaubigung oder Beurkundung ist nicht notwendig. Die Einwilligungsfähigkeit kann ausgeschlossen sein, wenn die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten durch die Krankheit stark beeinträchtigt ist. Geschäftsfähigkeit ist allerdings nicht Voraussetzung. So können auch Menschen, die unter Betreuung stehen, eine Patientenverfügung verfassen, wenn sie die Bedeutung und Tragweite erfassen können.

 

 

Der Anlass des Patienten, beim Arzt um eine Beratung zur Patientenverfügung zu bitten, kann ganz unterschiedlich sein: Manche Patienten beschäftigen sich schon in jungen Jahren und ohne eine zugrunde liegende Erkrankung mit dem Thema, andere haben prägende Beispiele in ihrer Umgebung erlebt. Manchmal ist es aber die existenzielle Betroffenheit von einer schweren Erkrankung, die Menschen dazu veranlasst, sich mit ihrem Lebensende auseinanderzusetzen. Der Arzt kann hier aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses wertvolle Informationen zum Abwägen der Entscheidung beisteuern, indem er etwa über Missverständnisse aufklärt oder medizinische Situationen erklärt. Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach ärztlicher Beratung zu diesem Thema durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich zunehmen wird (siehe Grafik).

 

Eine Patientenverfügung kann vom Verfasser jederzeit widerrufen werden, und zwar auch mündlich oder durch
Gesten. Sowohl der Arzt als auch der
Vertreter haben immer den Willen des Patienten zu beachten. Der aktuelle Willeeines einwilligungsfähigen Patienten hat immer Vorrang vor einem in einer Patientenverfügung geäußerten Willen, auch dann, wenn der Patient einen Bevollmächtigten oder Betreuer bestimmt hat. Auf einen früher geäußerten Willen kommt es daher nur an, wenn der Patient seinen Willen aktuell nicht mehr kundtun kann oder einwilligungsunfähig ist. Umgekehrt gilt: Eine eindeutige Patientenverfügung ist für den Arzt direkt bindend. Hat der Patient keinen Bevollmächtigten oder Betreuer bestimmt, braucht der Arzt keine Betreuung durch das Gericht anzuregen, sofern er keine berechtigten Zweifel daran hat, dass die Patientenverfügung auf die aktuelle Behandlungssituation zutrifft.

 

Eine Patientenverfügung gilt zeitlich unbegrenzt, sie hat kein „Verfallsdatum“. Dennoch ist es günstig, die Verfügung von Zeit zu Zeit zu aktualisieren oder zu bestätigen, dass sie noch dem aktuellen Willen entspricht. Das kann etwa mit folgender Formulierung unter der Verfügung geschehen: „Die in meiner Patientenverfügung vom ... getroffenen Aussagen entsprechen weiterhin meinem Willen. Datum/Unterschrift“. Hat der Arzt den Patienten beim Abfassen der Patientenverfügung beraten, ist es sinnvoll, dies zu dokumentieren. Das kann dabei helfen, bei
Zweifeln den Willen des Patienten durch
Rückfragen zu ermitteln. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist dies jedoch nicht.

Wirksame Patientenverfügung: diese Kriterien gelten

Wichtigstes Kriterium für die Wirksamkeit der Patientenverfügung ist aber, dass sie korrekt abgefasst wurde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)verlangt dafür Folgendes:

  • Die Verfügung muss potenzielle Erkrankungssituationen klar benennen (z.B. schwerer Schlaganfall, Wachkoma, in Todesnähe, bei unheilbaren Krankheiten).
  • Für diese einzelnen Situationen muss dann festgelegt werden, welche medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden sollen und was unterbleiben soll (etwa PEG-Sondenernährung, Wiederbelebung, künstliche Beatmung).
  • Das pauschale Ablehnen von „lebenserhaltenden Maßnahmen“ oder der Verweis auf ein „menschenwürdiges Dasein“ ist nicht bestimmt genug, wenn nicht erklärt wird, welche „lebenserhaltenden Maßnahmen“ damit konkret gemeint sind und was genau der Verfasser unter „menschenwürdig“ versteht

Auch im eingangs geschilderten Fall der Wachkomapatientin musste nach einem mehrere Jahre dauernden Rechts-
streit der BGH entscheiden (Beschluss
vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18). Er stellte klar, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung nicht überspannt werden dürfen. Im vorliegenden Fall konnte durch Auslegung der Patientenverfügung ermittelt werden, dass die Patientin hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben hatte, in der sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünscht,
nämlich dann, wenn keine Aussicht auf
Wiedererlangung des Bewusstseins gegeben ist. Diese Situation lag auch vor. Die lebenserhaltenden Maßnahmen durften eingestellt werden.

 

Da es vorkommen kann, dass eine Patientenverfügung Lücken aufweist, kann es sinnvoll sein, wenn der Patientenverfügung ein Dokument beiliegt, in dem der Patient seine persönlichen Wertvorstellungen äu-
ßert. Das macht eine unwirksame, weil zu
ungenaue Patientenverfügung zwar nicht wirksam, kann aber helfen, den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Dafür können frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische
oder religiöse Überzeugungen und sonstige
persönliche Wertvorstellungen des Betreuten herangezogen werden.

Das Lebensende umfänglich regeln

Vorsichtigen Schätzungen zufolge dürften bei einer aktuellen Gesamtzahl von rund 4,7 Millionen eingetragenen Vorsorgevollmachten im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer etwa 3,5 Millionen Patientenverfügungen registriert sein. Wie viele Patientenverfügungen es in Deutschland insgesamt gibt, ist nicht bekannt.

Neben der Patientenverfügung sind aber
auch Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht wichtige Bausteine, um das Lebensende gut zu regeln. Eine Betreuungsverfügung ist eine für das Betreuungsgericht bestimmte Wil-
lensäußerung einer Person für den Fall
der Anordnung einer Betreuung. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Patient infolge einer Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann und deshalb ein Betreuer bestellt werden muss. In einer Betreuungsverfügung wird also festgehalten, wen sich der Betreute als Betreuer etwa in Gesundheitsangelegenheiten wünscht. Dieser wird dann vom Gericht bestellt. Die Betreuungsverfügung ist damit nicht direkt wirksam, sie benötigt immer den Weg über das Gericht, das den Betreuer bestellen muss. In einer Betreuungsverfügung kann auch festgehalten werden, wen sich der Patient keinesfalls als Betreuer wünscht („Auf gar keinen Fall soll meine Schwester meine Betreuerin werden. Ich möchte, dass meine Tochter die Betreuung übernimmt.“).

Vorsorgevollmacht: Entscheiden ohne Umwege

Mit der Vorsorgevollmacht bestimmt dagegen der Patient selbst einen Vertreter. Dieser kann bei Einwilligungsunfähigkeit sofort tätig werden. Er erhält dann beispielsweise direkt Einblick in die Behandlungsunterlagen. Im Falle einer Betreuungsverfügung bestellt das Gericht dagegen einen Betreuer und prüft, ob der Vorschlag noch dem aktuellen Willen des Patienten entspricht. So oder so erfordert beides ein gefestigtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Bevollmächtigten oder Betreuer. Eine Vorsorgevollmacht kann jederzeit widerrufen werden, der Vollmachtgeber kann ein ausgehändigtes Vollmachtformular jederzeit zurückfordern. Ganz wichtig: Der Vorsorgebevollmächtigte darf die Zustimmung zu folgenschweren Entscheidungen, bei denen es um gefährliche Eingriffe oder um Leben und Tod geht, nur treffen, wenn dies in der Vollmacht ausdrücklich erwähnt ist (Paragraf 1904 Abs. 5, 1, 2 BGB). Fehlt ein entsprechender Passus, muss eine gerichtliche Betreuung eingerichtet werden.

 

 

In Beratungsgesprächen taucht dabei oft die Frage auf, ob der Patient nicht zwei Vertreter bestellen kann, etwa die Ehefrau und die Tochter gemeinsam. Das ist grundsätzlich möglich, aber in Gesundheitsfragen nicht immer sinnvoll, wenn beide nur gemeinsam entscheiden können. Hier ist es ratsam, nur einen Vorsorgebevollmächtigten zu benennen oder eine klare Rangfolge festzulegen.

 

Dass zwei Entscheidungsträger sich gegenseitig behindern können, zeigt auch der Fall der Wachkomapatientin. Hier wurden vom Gericht Sohn und Ehemann zu Betreuern bestellt, stritten aber über die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen. Schließlich musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme unter bestimmten Voraussetzungen gar nicht vom Betreuungsgericht genehmigt werden muss. Nämlich dann, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft (Beschluss vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18). Dann habe der Patient die Entscheidung selbst getroffen, und zwar in einer Weise, die alle Beteiligten bindet, sodass eine Einwilligung des Betreuers nicht erforderlich ist. Wird das Gericht dennoch angerufen, weil eine der beteiligten Personen Zweifel an der Bindungswirkung der Patientenverfügung hat, und kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, hat es ein sogenanntes Negativattest auszustellen, also festzustellen, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist.

 

So ermitteln Ärzte den Patientenwillen

Das führt zu der Frage zurück, wer in die Behandlung oder den Abbruch einer Maßnahme einwilligen muss. Wie ermittelt der Arzt den Patientenwillen? Ist der Patient einwilligungsfähig, kann er also die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung einschätzen, wird er vom aufklärenden Arzt direkt befragt und entscheidet selbst. Es steht ihm frei, eine Behandlung abzulehnen – auch wenn er sich damit schadet und die Entscheidung dem Arzt oder den Angehörigen unvernünftig erscheint. Es zählt allein sein Wille. Erst wenn ein Patient nicht mehr einwillgungsfähig ist – wie im Beispiel der Wachkomapatientin –, kommt die Patientenverfügung zum Tragen. Sie muss wirksam sein. Eine wirksame Patientenverfügung muss der Arzt beachten und ausführen, auch wenn die Angehörigen oder Vertreter anderer Meinung sind. Kann in der Patientenverfügung keine konkrete Behandlungsvorgabe für die vorliegende Situation gefunden werden, muss der Arzt gemeinsam mit dem Vorsorgebevollmächtigten oder dem Betreuer und den Angehörigen den sogenannten mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln. Sie müssen also die Frage klären, welche Behandlung der Betroffene für eine solche Situation gewünscht hätte. Lässt sich der Patientenwille auf diese Art zuverlässig ermitteln, muss er vom Arzt auch beachtet werden. Der Arzt sollte das Gespräch mit den Angehörigen gut dokumentieren. Führt all das zu keinem Ergebnis, trifft der Arzt im Zweifel eine Entscheidung für das Leben (siehe Kasten).

 

Für den Arzt ist es jedoch oft schwierig, die Wirksamkeit einer Patientenverfügung rechtssicher zu beurteilen. Gerade wenn Angehörige darüber streiten, ob lebenserhaltende Maßnahmen fortgesetzt oder eingestellt werden sollen, fühlen sich Mediziner in der Zwickmühle. In einem solchen Fall können und sollten Ärzte sich Hilfe holen und das Betreuungsgericht anrufen, das über einen 24-Stunden-Dienst verfügt. Ein Richter kann dann entscheiden, ob aufgrund der Patientenverfügung lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden dürfen. Auch hier gilt es, das Gespräch gut zu dokumentieren. Der Arzt oder die Ärztin kann am Betreuungsgericht auch ein offizielles Verfahren einleiten. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer Patientenverfügung sollten Ärzte keinesfalls eigenmächtig handeln. Das Risiko ist zu groß. Stellt sich eine Patientenverfügung als unwirksam heraus und hat der Arzt lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt, dann liegt ein Straftatbestand vor: Es kann sich konkret um eine
vorsätzliche Tötung oder um unterlassene
Hilfeleistung handeln.

 

Gerade im Rahmen der Corona-Pandemie hat auch die Advance Care Planning (ACP) an Bedeutung gewonnen,
die im Hospiz- und Palliativgesetz nieder
gelegt ist. Dabei geht es darum, in einer Notfallsituation, also unter Zeitdruck und ohne genaue Kenntnis einer eventuellen Patientenverfügung, nur solche Patienten intensivmedizinisch zu behandeln oder in Krankenhäuser einzuweisen, bei denen das medizinisch sinnvoll und vom Patienten gewollt ist. Ein entsprechender Notfallbogen kann Handlungssicherheit für alle Beteiligten (Patienten, stationäre Einrichtungen, Notärzte, Rettungssanitäter) schaffen.

Notfalldokumente müssen auffindbar sein

Ärztinnen und Ärzte werden von Patienten immer wieder gefragt, wo sie die Vorsorgedokumente am besten aufbe-
wahren sollen, damit sie im Notfall auch
gefunden werden. Hierfür bietet sich ein Notfallordner zu Hause an. Außerdem ist es sinnvoll, Bevollmächtigten und dem Hausarzt eine Kopie der Patientenverfügung auszuhändigen, die er zur Patienten-akte nehmen kann. Für die Geldbörse gibt es Notfallausweise, auf denen der Patient vermerken kann, dass er eine Patientenverfügung besitzt; dann haben Ärzte die Chance, schnell über eine solche
informiert zu werden. Zudem gibt es bei
der Bundesnotarkammer das eingangs erwähnte Vorsorgeregister. Dort kann jeder die Information hinterlegen, dass er eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung hat. Die Vollmachten selbst werden dort aber nicht hinterlegt. Das Register gibt lediglich Auskunft darüber, dass es Verfügungen gibt und welche Personen bevollmächtigt oder als Betreuer vorgeschlagen sind. Jedoch kann ein Aufbewahrungsort genannt werden. Die Registrierung ist kostenpflichtig.

 

Für Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung existiert eine Vielzahl von Mustern. Ärzte können unmöglich wissen oder gar prüfen, ob diese den aktuellen Stand der Rechtsprechung entsprechen. Sie können aber auf die Muster seriöser Institutionen verweisen, wie beispielsweise des Bundesjustizministeriums oder der Ärztekammer. In der Regel sollte der Wunsch nach einem Gespräch über diese Themen vom Patienten ausgehen. Allerdings kann es die ärztliche Fürsorge gebieten, das Thema selbst zur Sprache zu bringen, vor allem
dann, wenn nicht mehr viel Zeit bleibt.
Beim Abfassen des eigenen Willens kann der Arzt ein wertvoller Berater sein und mit medizinischen Informationen zu einer Entscheidung des Patienten beitragen.